Planungsmethode ema : Ueberblick und Workflow

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Überblick zur prinzipiellen Funktionsweise von ema

Das Softwarewerkzeug ema ist ein Hilfsmittel und gleichzeitig eine Methode für Planung, Gestaltung und Optimierung von Prozessabläufen in der industriellen Fertigung innerhalb früher Planungsphasen.

In der Software wird zunächst ein abstraktes digitales Abbild des Arbeitssystems (Begriff Arbeitssystem: s. DIN EN ISO 6385: 2014-10) erstellt, welches Arbeitsmittel (z. B. Werkzeuge, Maschinen, Anlagen, Möbel, Einrichtungen), Arbeitsgegenstände (be- oder verarbeitete Objekte: Stoffe, Güter) und die im Rahmen von Arbeitsaufgaben agierende Zielpopulation umfasst und als 3D-Geometrien visualisiert. Die Zielpopulation wird durch Menschmodelle repräsentiert, die anthropometrische Eigenschaften und eine kinematische Skelettstruktur aufweisen.

Danach wird der Arbeitsablauf, d. h. die zeitliche und räumliche Abfolge menschlicher Arbeitshandlungen (technologische Arbeitsverrichtungen) modelliert. Dabei erfolgt die Bewegungsgenerierung des Menschmodells nicht über lokale Gelenkpunktanimation und/ oder über Vorwärts- und inverse Kinematik, die der Nutzer über Targets oder Winkeleinstellungen ansteuert, sondern über sogenannte Verrichtungen, die dann programmintern durch einen Bewegungsgenerator verarbeitet und in Bewegungen überführt werden. Diese Verrichtungen sind in einer Bibliothek enthalten. Der Nutzer stellt die Verrichtungen gemäß der prozessbedingten Vorgangsreihenfolge zusammen und parametrisiert diese. Das geschieht über die Angabe von Rahmenbedingungen (z. B. Zielpositionen, Objekthandhabung, zugelassene Körperbewegungen etc.).

Diese zunächst "in Warteschlange" befindlichen Verrichtungen werden anschließend einem Simulationsmodell zugeführt und einer (internen) Plausibilitätsprüfung unterzogen. Sind alle Kenngrößen in ihrer Ausprägung vollständig und stimmig, werden die Ergebnisdaten in aufbereiteter, übersichtlicher und verständlicher Form ausgegeben.

ema besitzt Ergebnis-Tools für verschiedene Anwendungsaspekte:

  • Visualisierung der Posen des Menschmodells als fließende Bewegungen bei Ausführung der einzelnen synthetischen Verrichtungen
  • Ermittlung der an MTM angelehnten Richtwertzeiten
  • Bestimmung zeitlicher Verschwendung im Prozess
  • Darstellung von Strukturdiagrammen des Arbeitsablaufs, auch simultaner und verketteter Prozessabschnitte
  • Ergonomiebewertung multipler physischer Belastungen nach dem Ergonomieverfahren EAWS
  • Speicherung und Verwaltung aller Ergebnisdaten sowie Bezugsetzung zu allen Einzelverrichtungen
MTM (Methods-Time Measurement) MTM
Arbeitsablauf-Zeitanalyse
Methode zur Planung der Dauer von Arbeitsabläufen und darüber zur Planung und Gestaltung produktiver Arbeit
Fokus des MTM: prospektive Prozessbeschreibung: d. h. Vorwegnahme einzelner Bewegungen für einen geplanten Prozess
Methode zur Modellierung menschlicher Bewegungen
Zerlegung manueller Tätigkeiten in elementare Grundbewegungen mittels definierter Prozessbausteine und Zuordnung von Elementarzeiten
EAWS (Ergonomic Assessment Worksheet)
Risikobewertungsverfahren nach Ampelschema zur kombinierten Betrachtung körperlicher Belastungsarten
für überwiegend getaktete industrielle Fertigungsbereiche
Belastungspunkte für physische Beanspruchungen unter ergonomisch ungünstigen Arbeitssituationen

Beispielhafte Szene mit partiellen Analyseergebnissen:

Beispielszene_ema


Prozesssprache von ema

Eine Arbeitsaufgabe ist die Aufforderung an den Arbeitenden, Tätigkeiten auszuführen. Die Tätigkeiten bestehen aus einer Anzahl erforderlicher Aktivitäten/ menschlicher Arbeitshandlungen/ komplexer Verrichtungen, die wiederum untergeordnete Verrichtungen beinhalten. Die räumlich-zeitliche Abfolge dieser Tätigkeiten beschreibt den Arbeitsablauf.

Tätigkeiten in räumlich-zeitlicher Abfolge
--> komplexe Verrichtungen
--> untergeordnete Verrichtungen (Elementarverrichtungen)

Die Prozesssprache von ema bewegt sich auf der Ebene der Komplexverrichtungen und untergeordneten (elementaren) Verrichtungen.

Beispiel: Arbeitsaufgabe Fahrradmontage

Tätigkeit Nr. xyz:

Platzierung eines Fahrradrahmens auf einem Förderband

Komplexverrichtungen:

Laufen zum Objekt Fahrradrahmen - Fahrradrahmen aufnehmen - Laufen zum Förderband - Platzieren Fahrradrahmen auf dem Förderband

Untergeordnete Verrichtungen zu ´Laufen zum Objekt Fahrradrahmen´:

Drehen in Vorgaberichtung - Aufrichten - Fuß zu Ziel bewegen


Im Beispiel der Fahrradmontage sieht die Prozesssprache folgende Komplex- und untergeordnete Verrichtungen vor:

Prozesssprache_ema


ema-Prozesssprache in Bezugsetzung zur Strukturierung des arbeitsorganisatorischen Prozessablaufs

--> siehe hierzu (Schönherr, 2014)

Nach REFA wird der Prozessablauf vertikal in folgende Stufen gegliedert, wobei die unterste Hierarchieebene die größte Granularität aufweist.

Das arbeitsorganisatorische Strukturierungsmodell für Systeme vorbestimmter Zeiten gemäß MTM folgt ebenfalls einer vertikalen Hierarchie und lässt sich dem REFA-Modell gegenüberstellen.

REFA-Strukturierung MTM-Strukturierung
Gesamtablauf
Teilablauf
Ablaufstufe
Vorgang
Teilvorgang Arbeitsvorgang

Vorgangsfolge

Vorgangsschritt

Vorgangsstufe Grundvorgang

Bewegungsfolge

Vorgangselement Grundbewegung

ema definiert tätigkeitsunabhängige parametrische Bewegungsbausteine, mit denen sich beliebige Elementarverrichtungen zusammensetzen lassen. Die Bewegungssynthese in ema beruht auf der untersten Hierarchieebene von REFA/ MTM: der Grundbewegung. Die Verrichtungshierarchie insgesamt besteht aus den vier Ebenen:

  • Komplexverrichtung
    • Elementarverrichtung
      • Grundbewegung
        • Grundpose

Grundbewegungen führen die menschlichen Funktionsträger/ Körperbereiche Arme, Beine, Hände, Füße, Kopf, Oberkörper, Hüfte aus.


Workflow

Einer digitalen Untersuchung der Variantenentwürfe von Prozessabläufen liegt in ema die folgende Schrittfolge zugrunde:

Ermittlung und Aufbereitung von Ausgangsdaten des Projektes

  • Daten zum Arbeitssystem: Zielpopulation; Arbeitsmittel, Arbeitsgegenstände, räumlich-zeitliche Abfolge von Tätigkeiten
  • Modellbildung der Arbeitsplätze des Arbeitssystems
a) Erzeugung von 3D-Geometriemodellen in CAD-Systemen
b) Festlegung weiterer Geometrien und der Abmessungen als/ aus ema-Bibliotheksobjekt
  • Abstraktion bzw. Untersetzung der menschlichen Arbeitshandlungen gemäß ema-Prozesssprache (Beschreibung als untergeordnete Verrichtungen)
  • Bestimmung des Bewegungsverhaltens von Arbeitsmitteln, -gegenständen

Erzeugung eines digitalen Arbeitsplatzmodells (Kombination, räumliche Anordnung der Arbeitsmittel)

  • Laden / Erzeugen von Bibliotheksobjekten
  • Einbindung externer 3D-Objekte/ 3D-Geometriemodelle
  • Layoutaufbereitung

Einbindung von digitalen Menschmodellen

  • Konfiguration und Laden von Menschmodellen als Bibliotheksobjekt

Digitale Umsetzung geplanter Arbeitsabläufe durch Überführung untergeordneter Verrichtungen in ema-Prozesssprache (digitales Verrichtungsmodell)

  • Auswahl von Verrichtungen des Werkers aus der Verrichtungsbibliothek
  • Parametrisierung der Verrichtungen gemäß dem Verhalten des Werkers
  • Festlegung von Objekteigenschaften (ergonomierelevant…)
  • Erstellung von Objektbewegungen
  • Erstellung von Hierarchien und der Synchronisation von Teilprozessen

Zuführung des Verrichtungsmodells zum Simulationsmodell

  • Simulation der Arbeitsaufgabe
  • Plausibilisierung
  • ggf. Änderung von Verrichtungsparametern, von Hierarchien

Ergebnisauswertung

  • Ermittlung von MTM-Richtzeit, von Prozessdaten; Ergonomiebewertung
  • Auswertung und ggf. Ausgabe (Excel-Export)

Modifikation und Optimierung des Arbeitssystems

  • Änderung des Arbeitsplatzlayouts
  • Änderung von Arbeits-Technologien
  • Änderung von Objekteigenschaften (Masse, Kräfte, Geometrien…)


Filmbeispiele zu Anwendungen von ema

(1) Einfache Montagearbeiten: Waschmaschinenmontage

siehe Waschmaschinenmontage

(2) Montage am bewegten Objekt: Der Arbeiter verrichtet körperliche Arbeiten an einem bewegten Objekt

siehe Montage am bewegten Fahrzeug

(3) Verkettete Arbeitsplätze: Ein Arbeiter verrichtet seine Arbeit in Abhängigkeit von einem vorgeschalteten Arbeiter, welcher Bauteile oder Arbeitsmittel liefert

siehe verkettete Arbeitsplätze

(4) Menschmodell-Roboter-Kollaboration: Ein Arbeiter kooperiert z.B. für eine Bauteilmontage (Fahrzeugtürmontage) mit einem Roboter

siehe Mensch-Modell-Roboter Kollaboration



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Literatur: Schönherr, Ricardo (2014): Simulationsbasierte Absicherung der Ergonomie mit Hilfe digital beschriebener menschlicher Bewegungen. Chemnitz, Techn. Univ., Diss., 2014