Ergonomie-Grundlagen: Anthropometrie: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 31. Oktober 2010, 19:04 Uhr
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Begriff Anthropometrie
(griech.):
- Anthropos: Mensch
- metron: Maß metrein: Ermittlung oder Bestimmung
Lehre von der Messung und den Maßverhältnissen des menschlichen Körpers
gemäß DIN EN ISO 15535:2008-05:
Quelle: DIN EN ISO 15535:2008-05: Allgemeine Anforderungen an die Einrichtung anthropometrischer Datenbanken (ISO 15535:2006); Deutsche Fassung EN ISO 15535:2006
Untersuchung und Messung der physischen Maße und der Masse des menschlichen Körpers und seiner
(äußeren) Einzelelemente
- Quantitative Erfassung und Beschreibung einzelner Körpermaße (anthropometrischer Daten) des Körpers (wie z. B. Dimension und Proportion) sowie demographischer Daten (z. B. Geschlecht, Alter, Wohnsitz, Beruf)
- Messung von Körpermerkmalen und statistische Aufbereitung von Daten
- Betrachtung von Maßentwicklungen zum Vergleich verschiedener Gruppen und Populationen
- Bereitsstellung von Maßen für eine Nutzerpopulation
- Teilgebiet (Messmethode) der Anthropologie
- Population
- Gruppe von Menschen, die Eigenschaften gemeinsam haben, die ihre anthropometrischen Verteilungen beeinflussen
- Nutzpopulation
- Bevölkerungsgruppe, für die eine technische Gestaltung vorgesehen ist (gemäß DIN EN ISO 15535:2008-05)
Anwendung:
- Bekleidungsindustrie (modische Kleidung, berufsgruppenspezifsche Bekleidung, Sicherheitsbekleidung und -ausrüstung)
- Ergonomie (maßliche Auslegung von Arbeitsplätzen, technischen Arbeitsmitteln, Verbraucherprodukten)
Ordnungsschema für Körpermaße
Wege anthropometrischer Gestaltung
1. Bildung von Körpergrößenklassen (klein, mittel, groß
- Produkte unterschiedlicher Größenabstufungen (z. B. Wechselgriffe an Handwerkszeugen, Fahrräder in unterschiedlichen Rahmengrößen, Computermäuse für große und kleine Hände)
2.Verstellbarkeit von Abmessungen an Gegenständen für die Nutzergruppe (z. B. Höhenverstellbarkeit von Tischen, Stühlen)
3. Hinzufügen von Anpassungshilfen bei wirtschaftlichen und technischen Zwängen (z. B. Fußstützen, Sitztiefenverlängerung über ausklappbare Auflagen)
4. Maßgerechte individuelle Auslegung von Produkten und Arbeitsplätzen (z. B. für kleinwüchsige Personen; wenn Nutzer bekannt ist; maßgerechte Küche)
Körpermaßverteilung - Körpergrößenklassen
Körperlängenmaße: Einzelwerte symmetrisch um Mittelwert verteilt ⇒ Normalverteilung Breiten-, Tiefen-, Körperumfangsmaße: Einzelwerte folgen keiner Normalverteilung Verwendung von verteilungsunabhängigen statistischen Größen: Berechnung von Häufigkeitswerten, d.h. von empirischen Perzentilwerten
- Perzentil
- lat. „Hundertstelwerte“ ⇒ Prozentränge
- Perzentilwert = relative Summenhäufigkeit einer Gruppe
- Zerlegung der Verteilung in 100 gleich große Teile (n=100) mit 1%-Segmenten
- Perzentil = besondere Form des Quantils
- p-Quantil Qp: Merkmalswert, unterhalb dessen ein vorgegebener Anteil p aller Fälle der Verteilung liegt
- p: Unterschreitungsanteil
- z.B. Quantil Q69 = Perzentil P69
- unterhalb dieses Punktes liegen 69% aller Fälle der Verteilung
- Prozentrang von 50 = 50. Perzentil: = 0,5-Quantil: Median (Zentralwert)
Perzentilwerte geben für ein Körpermaß an, wie hoch der prozentuale Anteil der Personen einer Bevölkerungsstichprobe ist, die kleiner sind als das angegebene Perzentil oder anders gesagt: Sie zeigen jeweils den Messwert an, der von einem definierten Prozentsatz der gemessenen Menschen maximal erreicht wird: 5. Perzentil bedeutet z. B.: 5% sind in dem Maß kleiner oder so groß, wie hierdurch festgelegt
Die größte Verteilungsdichte der Individualwerte eines Körpermaßes liegt in der Mitte der Verteilungskurve.
Bei Normalverteilung gilt näherungsweise:
- 68,3% aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens 1xStandardabweichung vom Mittelwert,
- 95,4% aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens 2xStandardabweichung vom Mittelwert,
- 99,7% aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens 3xStandardabweichung vom Mittelwert.
Kumulative Häufigkeit der normalverteilten Körperhöhe in %:
Quelle: H. Greil: Wachstum und Variabilität im Körperbau und ihre Berücksichtigung bei industriellen Größensystemen. In: Brandenburgische Umwelt Berichte (BUB) 10 S. 62-76 (2001)
Datei:Kumul Häufigk 1.gif Datei:Kumul Häufigk 2.gif
- im 1 cm-Bereich von 160 cm bis 161 cm
- bei Frauen: Anteil: 6,5%
- bei Männern: Anteil: 0,9%
- im 5 cm-Bereich von 175 cm bis 180 cm
- bei Frauen: Anteil: 2,4%
- bei Männern: Anteil: 26,7%
- Körperhöhe größer als 170 cm
- Anteil jüngerer Frauen gegenüber älteren doppelt so hoch
- Körperhöhe kleiner als 170 cm
- Anteil jüngerer Männer gegenüber älteren weniger als die Hälfte
Perzentilberechnung normalverteilter Körpermaße
Standardnormalverteilung mit den statistischen Größen Mittelwert und Standardabweichung
KPerzentil: gesuchtes Perzentil
[math]\displaystyle{ \overline x }[/math]: Körpermaßmittelwert
zPerzentil: z-Wert aus Tabelle der Standardnormalverteilung
s: Körpermaßstandardabweichung
z-Werte für die Berechnung einiger Perzentile:
1.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] - 2,33s 99.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] + 2,33s
2.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] - 1,88s 97.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] + 1,88s
5.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] - 1,65s 95.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] + 1,65s
10.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] - 1,28s 90.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] + 1,28s
20.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] - 0,84s 80.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] + 0,84s
25.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] - 0,67s 75.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math] + 0,67s
50.Perzentil = [math]\displaystyle{ \overline x }[/math]
Quelle: W.Lange; A. Windel: Kleine ergonomische Datensammlung.Tüv Media;Auflage 13., aktualisierte Auflage. (September 2009)
Beispiel 1: Hauptmaße der Führerräume von Schienenfahrzeugen nach DIN 5566-02:2006-09 Höhe in jedem aufrecht beschrittenen Punkt Vorzugsmaß: ≥2000 mm
- Überprüfung des Vorzugsmaßes
- entscheidendes Körpermaß: Körperhöhe
- Nutzergruppe: 25-65 Jahre
- entscheidendes Perzentil: 99.Perzentil
- entscheidendes Geschlecht, Alter: männlich (jüngere Nutzer: 25-29 Jahre, da akzelerierter)
Datei:Körperhöhe.gifDatei:Körperhöhe Maße AA.gif
Körpermaße aus B. Flügel; H.Greil; K.Sommer: Anthropologischer Atlas. Alters- und Geschlechtsvariabilität des Menschen - Grundlagen und Daten. Verlag Minerva edition Wissen, 1986
[math]\displaystyle{ K_{99}=1755mm\dotplus2,33\cdot72mm }[/math]
99. Perzentil = 1922mm (+ Schuhwerk 30 mm) = 1952 mm ⇒ + Bewegungszuschlag: Höhe >1952 mm
Beispiel 2: Hauptmaße der Führerräume von Schienenfahrzeugen nach DIN 5566-02:2006-09 Höhe des Fluchtweges Mindestmaß: 1800 mm
- Welchem Perzentil entspricht die Höhe des Fluchtweges von 1800 mm bei männlichen Nutzern?
- entscheidendes Körpermaß: Körperhöhe
- Überprüfung beispielhaft für Nutzergruppe: 18-59 Jahre, männlich
Körpermaße aus B. Flügel; H.Greil; K.Sommer: Anthropologischer Atlas. Alters- und Geschlechtsvariabilität des Menschen - Grundlagen und Daten. Verlag Minerva edition Wissen, 1986
s. Tabelle der Standardnormalverteilung (Ermittlung des Flächenanteils, der dieser Wahrscheinlichkeit entspricht)
ZPerzentil = 1,28 ⇒ Fläche 0,8997 ≈ 90.Perzentil
Für etwa 10% der männlichen Nutzer ist die Fluchtweghöhe zu niedrig.
Beispiel 3: Hauptmaße der Führerräume von Schienenfahrzeugen nach DIN 5566-02:2006-09 Lichter Türdurchgang, Höhe innen Mindestmaß: 1700 mm
- Welchem Perzentil entspricht die Höhe des Türdurchganges von 1700 mm bei jüngeren männlichen Nutzern?
- Nutzergruppe: 18-65 Jahre, männlich und weiblich
- entscheidendes Körpermaß: Körperhöhe, männlich, 18-25 Jahre
Körpermaße aus DIN 33402-2:2007-05)
s: Standardabweichung
K50: Körpermaß 50.Perzentil
K5: Körpermaß 5.Perzentil
z50: z-Wert Standardnormalverteilung für 50.Perzentil
z5: z-Wert Standardnormalverteilung für 5.Perzentil
ZPerzentil=1,414 ⇒ Fläche 0,9207 ⇒ (100-92) = 8.Perzentil
Für nur etwa 8% der männlichen Nutzer ist der Türdurchgang aufrecht passierbar, für 92% der männlichen Nutzer ist die Tür zu niedrig.
Datenbanken für Körpermaße
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Einflussfaktoren auf die Variation von Körpermaßen
- Geschlecht
- Alter
- säkulare Akzeleration
- ethnische Unterschiede
- Proportionale Unterschiede
- Tagesschwankungen
- Asymmetrien
Geschlecht
- Vergleich Frau zu Mann
- ca. 13 cm geringere Körperhöhe
- breiteres Becken
- schmalere Schultern
- kürzere Extremitäten, kleinere Hände und Füße
- stärkere und anders verteilte Korpulenz, Proportionsunterschiede
- längerer und tieferer Rumpf, breiterer Unterrumpf
Datei:Körpersitzbreite M F.gif
Alter
- Vergleich Erwachsene und Jugendliche (Jugendliche gemäß Jugendarbeitsschutzgesetz ab 15 Jahre)
- Körpermaßendwerte noch nicht erreicht
- Wachstumsschübe vorhanden
- Längenwachstum im weiblichen Geschlecht bis ca. zum 18.Lebensjahr, im männlichen Geschlecht bis nach dem 20.Lebensjahr
Beachtung bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen für Auszubildende
Datei:Vgl KH Erwachs Jugendl männl.gif
Quelle 1: Körpermaße aus B. Flügel; H.Greil; K.Sommer: Anthropologischer Atlas. Alters- und Geschlechtsvariabilität des Menschen - Grundlagen und Daten. Verlag Minerva edition Wissen, 1986
- Vergleich jüngere und ältere Erwachsene - Veränderung der Körpermaße bei älteren Menschen
- Abnahme von Körperhöhe und Stammlänge
- Haltungsverlust, Dehydrierung der Zwischenwirbelscheiben, Alterskyphose der Wirbelsäule
- kürzere Extremitäten
- Zunahme von Brustkorbtiefe und –breite
- Brustkorbtiefe nimmt stärker zu als Brustkorbbreite (Thorax tonnenförmiger)
- Zunahme von Körperumfang, Körpersitzbreite, Unterkörpertiefe
- Gewichtszunahme, Zunahme der Extremgruppen sehr schlank – stark adipös
- Zunahme von Handdicke, Daumenbreite, Zeigefingerbreite
- Zunahme von Ohrlänge und -breite
Quelle Bild rechts: http://www.sizegermany.de/pdf/SG_Abschlusspraesentation_2009.pdf, Abruf 28.10.2010
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