Anthropometrie: Ableitung von Gestaltungsmaszen aus Koerpermaszen: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 16. März 2014, 13:27 Uhr
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Ableitung von Gestaltungsmaßen aus Körpermaßen
Ergonomische Lösungen werden für eine Zielgruppe entworfen, die in ihren Eigenschaften möglichst genau abzugrenzen ist. Das Gestaltungsobjekt weist Gestaltungsmerkmale (z. B. Sitzbreite) auf, die u. a. auch von anthropometrischen Eigenschaften der Nutzergruppe geprägt sind. Die geometrische Beziehung zwischen Gestaltungsmaßen (Entwurfsparameter) wird über deren Lage und Bewegung in einem Bezugssystem festgeschrieben (z. B. Sitzbezugs- zum Fersenpunkt; fahrzeugfestes Koordinatensystem). Es existieren restriktive Abhängigkeiten bei anthropometrisch bestimmten Gestaltungsmaßen durch perzentilierte Körpermaße und Gelenkbeweglichkeiten. Dieses Referenzsystem beeinflusst, welche Körpermaße in das Gestaltungsmaß einfließen. Liegt z. B. das Referenzsystem an der Vorderkante einer Montagetisches und es ist die maximale Greifweite (direkt vor dem Körper) festzulegen, ist zunächst der Abstand des Schulterdrehgelenkes zur Tischvorderkante in Abhängigkeit von der Rumpftiefe zu ermitteln, um von diesem Drehpunkt aus die Oberarm-Unterarmlänge plus Abstand bis Handmitte als Strecke abzutragen. Der gesamte Greifraum hängt von der Gelenkbeweglichkeit des Schultergelenkes und Schlüsselbeines ab. Die Ermittlung von Gestaltungsmaßen (z. B. Sitzverstellfeld) erfolgt i. allg. über deren Berechnung auf Grundlage eines oder mehrerer Körpermaße unter Beachtung des notwendigen Perzentils und von Zu- und Abschlägen.
Kriterium Arbeitsaufgabe/ Einsatzzweck, Gestaltungsziele
Aus der Analyse der Anforderungen eines geplanten oder zu verändernden Arbeitssystems bzw. Produktes zu dessen Leistungsmerkmalen, zu Ergonomieproblemfeldern, zu neuen Funktionen, zu Arbeitsaufgaben der Bedienpersonen etc. resultiert ein Katalog angestrebter technischer, ergonomischer und sicherheitstechnischer Leistungsparameter und der Produkt- bzw. Systemeigenschaften. Hierin sind u. a. die zu erwartenden Tätigkeiten und Handlungen des Menschen, bestimmte Wirkprinzipien (Technologien) und die gewünschten Mensch-Maschine-Schnittstellen zu beschreiben. Aus einer Problemanalyse werden die zu lösenden Problemfelder formuliert und daraus Gestaltunsziele als Orientierungsvorgabe abgeleitet.
Beispielsweise sind Führerräume und Fahrzeugführerarbeitsplätze von Schienenfahrzeugen nach ergonomischen Gesichtspunkten zu gestalten. Der Triebfahrzeugführer hat Kontroll- und Steuerungstätigkeiten von Fahrbewegungen des Schienenfahrzeugs vorzunehmen. Dabei erfolgt eine permanente Sicht auf die Strecke und Signale. Diese Tätigkeiten hat er im Sitzen und im Stehen auszuführen. Es gibt hand- und fußbetätigte Bedienelemente, wobei wichtige und häufig zu nutzende sowie sicherheitsrelevante Schalter und Taster im optimalen Greifraum bzw. Wirkraum der Füße anzuordnen sind und von einer physiologisch günstigen (arbeitsmedizinisch empfohlenen) dynamisch wechselnden Sitzhaltung auszugehen ist. Dabei darf keine Ablenkung von der Sicht auf die Strecke auftreten. Es ist ausreichender Kniefreiraum auch bei seitlicher Ausdrehung des Sitzes zu gewährleisten. Informationsmittel sind so anzuordnen, dass diese in bequemer Kopfhaltung kontaktiert werden und keine Sichtbehinderungen auftreten. Die Sicht auf hohe und niedrige Signale muss für alle vorgesehenen Körperhaltungen ab einer bestimmten Signalentfernung zur Puffertellerebene sichergestellt sein usw.
Aus diesen allgemeinen Ergonomie- und Arbeitsanforderungen leiten sich z. B. anthropometrisch determinierte Gestaltungsziele ab für:
- Hauptabmessungen des Führerraums,
- Anordnung und Ausführung der Sitzplätze,
- Dimensionierung von Frontscheiben,
- Sichtbedingungen inner- und außerhalb des Führerraums,
- An- und Zuordnung von Bedienelementen auf und in der Nähe des Pultes,
- Pultgeometrie,
- Ausstattungselemente des Führerraums etc. etc.
Kriterium Körpermaß auf Grundlage des Gestaltungsmaßes
An einem zeitlich begrenzt zu nutzenden Maschinenarbeitsplatz sei technisch bedingt nicht genügend Beinfreiraum für eine sitzende Körperhaltung der Bediener vorhanden. Die Arbeitsaufgabe erfordert einen größeren Freiraum für Armbewegungen. Zu prüfen ist, ob der Maschinenarbeitsplatz als Steharbeitsplatz mit Stehhilfe konzipiert werden kann, wobei der dafür erforderliche Fuß- und Beinraum zur Sicherstellung der Beweglichkeit des Oberkörpers und des Hand-Arm-Systems sowie eine Abstützung des Gesäßes gewährleistet sein müssen. Daraus leiten sich folgende Gestaltungsmaße ab:
- Gestaltungsmaße Stehhilfe:
- Abstützflächenhöhe
- Breite der Abstützfläche
- Neigung der Abstützfläche
- Form der Abstützfläche etc.
- Gestaltungsmaß Fuß-, Beinraum:
- Beinraumtiefe auf Kniehöhe
- Beinraumbreite
- Fußraumtiefe auf Knöchelhöhe
Die zugrunde zu legenden Körpermaße, anhand derer die Gestaltungsmaße bestimmt werden, sind:
- Gestaltungsmaß: Abstützflächenhöhe der Stehhilfe
- Körpermaß: Schritthöhe
- Gestaltungsmaß: Beinraum- und Fußraumtiefe
- Körpermaß: Fußlänge
- Gestaltungsmaß: Beinraumbreite
- Körpermaß: Hüftbreite
Für das Beispiel seien drei verschiedene Zielgruppen vorgesehen:
- Zielgruppe 1: ausschließlich Deutschland
- Zielgruppe 2: Bediener in Europa
- Zielgruppe 3: ausschließlich Niederländer
Kriterium Perzentilmaß und Bestimmung des Gestaltungsmaßes
Für das obige Beispiel sollte die Abstützflächenhöhe der Stehhilfe verstellbar gestaltet sein, um unterschiedlich großen Nutzern vergleichbare Körperhaltungsbedingungen zu sichern. kritische Perzentile für das Körpermaß Schritthöhe der zu berücksichtigenden Zielgruppe unter Beachtung verfügbarer Normdaten sind:
- Zielgruppe 1: gemäß DIN 33402-2 (2005): F5 und M95 --> 18-25 Jahre (akzeleriert)
- Zielgruppe 2: gemäß DIN EN ISO 14738 (2009): P5 und P95 (Unisex) --> Alter unbekannt
- Zielgruppe 3: gemäß DIN CEN ISOTR 7250-2 (2013): F5 und M95 --> Alter 18-65 Jahre
Beinraum-, Fußraumtiefe und Beinraumbreite richten sich nach großen Personen, daher sind hier für das Körpermaß Fußlänge und Hüftbreite folgende Perzentile zugrunde zu legen:
- Zielgruppe 1: gemäß DIN 33402-2 (2005): M95 --> 18-25 Jahre für Längenmaße (akzeleriert) --> 41-60 Jahre für Breitenmaße (säkularer Trend)
- Zielgruppe 2: gemäß DIN EN ISO 14738 (2009): P95 (Unisex) --> Alter unbekannt
- Zielgruppe 3: gemäß DIN CEN ISOTR 7250-2 (2013): M95 --> Alter 18-65 Jahre
Die Gestaltungsmaße berechnen sich unter Beachtung von Zuschlägen wie folgt:
- Abstützflächenhöhe AFH der Stehhilfe:
- --> Sh: Schritthöhe --> Z1: Zuschlag für Schuhe
- AFH-max = 0,9 Sh (P95) + Z1
- AFH-min = 0,9 Sh (P05) + Z1
- Beinraumtiefe BRT und Fußraumtiefe FRT:
- --> FL: Fußlänge
- BRT = FL (P95)
- FRT = 2 FL (P95)
- Beinraumbreite BRB:
- --> HB: Hüftbreite --> Z2: Zuschlag für Beinbewegungen
- BRB = HB (P95) + Z2
Zielgruppen 1 bis 3: Region Deutschland / Europa / Niederlande
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