Anthropometrie: Arbeitsplatzgrundtypen Buero und Produktion

Aus Ergotyping
Zur Navigation springenZur Suche springen

zurück zu Gliederung: Anthropometrie


Arbeitsplatzgrundtypen im Büro- und Produktionsbereich


Gemäß Betriebssicherheitsverordnung (Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln - BetrSichV) hat der Arbeitgeber gemäß §4 Abs. 4 für die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln ergonomische Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Arbeitsorganisation, -ablauf und -aufgabe zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die Körperhaltung, die Beschäftigte bei der Benutzung der Arbeitsmittel einnehmen müssen.

Generell kann man nach der für die Ausführung der Arbeitsaufgabe vorherrschend einzunehmenden Arbeitshaltung drei Grundtypen unterscheiden:

Sitzarbeitsplätze - Steharbeitsplätze - Steh-Sitzarbeitsplätze

Diese Grundtypen treten bei Büro- und büroähnlichen Arbeitsplätzen, Callcenter-, Mikroskopier-, Montagearbeitsplätzen, bei Fahrertätigkeiten, bei Arbeitsplätzen auf Führerständen und Leitwarten, Maschinenarbeitsplätzen etc. auf.

Allgemeine Entscheidungskriterien für die Wahl eines Arbeitsplatztyps sind:

die aufgabenabhängigen visuellen und motorischen Anforderungen
die Dauer der Tätigkeit
die erforderliche Flexibilität des Beschäftigten zwischen Arbeitsplätzen und an Handlungsstellen eines Arbeitsplatzes (technologische Aspekte des Arbeitsablaufs)
Art, Größe der Arbeitsgegenstandes
Gesichtspunkte physischer, psychischer Belastungen.

Im Zusammenhang damit sind Einflüsse auf die spätere Bestimmung der Arbeitshöhe als der Abstand zwischen einer Bezugsebene und der Handlungsstelle zu berücksichtigen.

Bezugsgrößen für die Arbeitshöhe:

  • Was: Bestimmung der maßgeblichen Kopplungsglieder, motorischer Anforderungen (s. im Bild Figur 4)
Greif-, Kopplungsart (s. im Bild Figur 3); hohe, mittlere, niedrige Anforderungen an die Feinmotorik
  • Wo: Definition typischer Handlungsstellen (s. im Bild Figur 2)
häufigster durchschnittlicher Ort des manuellen Einwirkens auf den Arbeitsgegenstand
  • Wie: Grundkörperhaltung, Körperteilstellungen
Festlegung physiologisch günstiger Hand-Arm-Stellungen und Oberkörper-Kopfbewegungen in Abhängigkeit von der Arbeitsaufgabe (s. im Bild Figur 1, 3)
Zulässige Bewegungsbereiche, Komfortgelenkwinkelstellungen
Sehentfernung in Abhängigkeit von Arbeitsanforderung als Abstand Sehobjekt zum Auge (s. im Bild Figur 1)

.


Man kann verschiedene Auslegungskonzepte für die drei Arbeitsplatzgrundtypen unterscheiden, zunächst vereinfacht unter der Annahme, dass der Handlungsort direkt auf der Tischfläche liegt.

Sitzarbeitsplaetze

Sitzarbeitsplatz, optimal ausgelegt

  • Variable Tischhöhe für P5 bis P95
  • Variable Sitzhöhe für P5 bis P95
Einsatz von Armstützen bei länger andauernder feinmotorischer Tätigkeit
Sitzgelegenheiten nach DIN 68 877:1981-07 "Arbeitsdrehstuhl - Sicherheitstechnische Anforderungen"; Büromöbel - Büro-Arbeitsstuhl nach DIN EN 1335:2002-08

.


Sitzarbeitsplatz, mit Anpassungshilfen

  • Feste Tischhöhe, Auslegung nach P95
  • Variable Sitzhöhe für P5 bis P95: gegenüber Bodenniveau erhöhtes Sitzen für kleine Personen, um identische (Hand)Kontaktpunkte sicherzustellen
  • verstellbare Fußstütze für P5 bis < P95, um einen Bodenkontakt der Füße zu gewährleisten

.

Steharbeitsplaetze

Steharbeitsplatz, optimal ausgelegt

  • variable Tischhöhe für P5 bis P95
Reduzierung physischer Belastungen durch zusätzliche Bereitstellung und gelegentliche Nutzung von Stehhilfen
empfohlenes Verhältnis eines Belastungswechsels: 5:1 innerhalb kurzer Zeitabstände (ca. aller 1h bis 2h)

.


Steharbeitsplatz, mit Anpassungshilfen

  • Feste Tischhöhe, Auslegung nach P95
  • Variable Stehhöhe für < P95
höhenverstellbares Podest für Personen < P95
Unterstützend Einsatz von Stehhilfen möglich:
Entlastung von Kreislauf u. Stützapparat (Aufnahme bis zu 60% des Körpergewichtes)
Belastungsreduzierung auch durch gut gepolstertes Schuhwerk, Bodenmatten
Beachtung Fußraum: keine Verstrebungen und Ablageböden am Tisch

.


Steharbeitsplatz, Kompromiss

  • gemittelte feste Tischhöhe, Auslegung nach P50-Unisex
Wenn Nutzergruppe männlich (M)/ weiblich (F): Mittelung nach M50/F50 bzw. F5/M95 oder F95/M5

.

Stehhilfen

Um anhaltendes Stehen zu vermeiden, kann als Kompromiss eine Stehhilfe eingesetzt werden. Die bessere Alternative ist ein zeitweiliger Wechsel in die Sitzhaltung. Die Stehhilfe weist neben Vorteilen etliche Nachteile auf und sollte demnach nur zeitlich begrenzt genutzt werden. Stehhilfen gibt es mit starrer und pendelnder Säule, mit sattelförmiger oder vorgeneigter Sitzfläche.

Vorteile der Stehhilfe:

  • Aufnahme bis zu 60% des Körpergewichts
  • leichter Wechsel zur Stehhaltung
  • geringes Gewicht
  • leicht wegstellbar

Nachteile der Stehhilfe:

  • eingeschränkte Arbeitshaltungen
  • lokaler Druck und Beschränkung der Blutzirkulation
  • Anschwellen der Beine bei lang andauerndem Gebrauch
  • Raumanforderungen für die Unterbringung der Beine
  • pendelnde Säulen aus Sicherheitsgründen nicht empfehlenswert

Steh-Sitzarbeitsplaetze

Steh-Sitz-Arbeitsplatz, optimal ausgelegt

  • variable Tischhöhe für Stehen und Sitzen: sehr großer Verstellbereich: für Sitzen P5 bis Stehen P95
  • Variable Sitzhöhe für P5 bis P95
Einsatz normaler Arbeitsstühle ausreichend
  • keine Fußstützen erforderlich, da stets Bodenkontakt der Füße gewährleistet ist

.


Steh-Sitz-Arbeitsplatz, mit Anpassungshilfen

  • i. allg.: gemittelte feste Tischhöhe nach P50-Unisex für Stehen
  • Berechnung der Sitz- und Fußstützenhöhe für diese Steh-Arbeitshöhe
  • Variable Sitzhöhe für P5 bis P95
  • Variable Fußstütze für P5 bis P95
  • Einsatz besonderer Arbeitsstühle mit erweitertem Verstellbereich: sog. Hochstühle
  • Beachtung Beinraum:
keine Tastaturschübe
Rollcontainer statt feste Unterschränke

.